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Wurde bei den Zahlen der Intensivstationen geschummelt? Eine politische Bombe bahnt sich an



Seit dem Beginn der Corona-Krise ist das wichtigste Argument der Verantwortlichen für freiheitseinschränkende Maßnahmen immer die drohende Überlastung der Intensivstationen gewesen. Matthias Schrappe, seines Zeichens Arzt, Gesundheitsökonom und ehemaliger Vize-Chef des Sachverständigenrates Gesundheit, legte nun ein Dokument vor, das für ordentlich politische Sprengkraft sorgen könnte.


Schrappe gilt als Spezialist und kritisierte in der Vergangenheit häufig den Umgang der Bundesregierung und der Landesregierungen mit der Corona-Krise. In seinem nun veröffentlichen Papier, das er zusammen mit seinem Forschungsteam erarbeitete, deckt Schrappe einen waschechten, politischen Skandal auf. Die Welt berichtete darüber als bislang einziges Mainstreammedium, allerdings hinter der Bezahlschranke. Dabei sollte dieses brisante Thema eigentlich einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.


Aus dem am heutigen Sonntag veröffentlichten Dokument, das Schrappe zusammen mit neun anderen Wissenschaftlern publizierte, geht Manipulation von Statistiken, Subventionsbetrug und eine zweifelhafte Verwendung von Fördergeldern hervor:


„Eine fachliche Fundierung der offiziellen Kampagne und der Interventionen einiger Fachgesellschaften, die auf der individuellen Angst vor nicht möglicher Aufnahme auf Intensivstation basiert, kann daher nicht abgeleitet werden. Sowohl in Bezug auf das Verhältnis von Intensivpflichtigkeit und Melderate (Intensiv-Melderaten-Quotient), als auch in Bezug auf das Verhältnis von intensivpflichtigen zu hospitalisierten Patienten (Quotient Intensivpflichtigkeit/Hospitalisierung) nimmt Deutschland eine Sonderstellung ein: in keinem Land werden im Vergleich zur Melderate so viele Infizierte intensivmedizinisch behandelt, und in keinem Land werden so viele hospitalisierte Infizierte auf der Intensivstation behandelt. Diese Situation nimmt im Zeitverlauf sogar zu und bedarf dringend einer genaueren Untersuchung (drohende Überversorgung). Die Datengrundlage ist auch hier äußerst widersprüchlich (z.B. mehr intensivpflichtige als hospitalisierte Patienten).“

Doch die Wissenschaftler gehen in ihrem Schreiben noch weiter:


„Die Zahl der Intensivbetten nimmt seit Sommer letzten Jahres ab, obwohl angesichts der „Triage“-Diskussion Anstrengungen zur Ausweitung der Intensivbettenkapazität zu erwarten gewesen wären. Diese Abnahme entspricht genau der Abnahme an freien Betten, so dass der Abfall der freien Betten eher als Folge einer Abnahme der Gesamtkapazität denn als eine Folge einer vermehrten Inanspruchnahme durch Covid-19-Patienten zu interpretieren ist. Es hat eine rückwirkende „Korrektur“ der Intensivkapazitäten stattgefunden, die nicht mit der veränderten Zählweise zusammenhängt. Die Zahl der belegten Intensivbetten hat sich nicht verändert. Fragen zur Finanzierung, zur Bedeutung des Krankenhausplans und zu Freihalteprämien sowie deren Anreizwirkung bleiben offen.“


Doch was sagt uns das alles? Der vermeintliche Mangel an freien Intensivkapazitäten kam durch den Abbau freier Betten zustande und nicht wie seit Monaten kolportiert, durch die Zunahme intensivpflichtiger Covid-19 Patienten. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat auf vermehrte Nachfrage zu dem Thema des Kollegen Boris Reitschuster in der Bundespressekonferenz auf die fehlenden Pflegekräfte verwiesen. Doch laut Schrappe sei diese Darstellung irreführend:


„Die objektive Datenlage bezüglich der zur Verfügung stehenden Anzahl von Pflegekräften ist nicht belastbar. Es fehlen Institutionen, die zu diesem Thema unabhängige Informationen generieren. Eine Abnahme der aktiv tätigen Pflegekräfte lässt sich statistisch nicht nachweisen. Aktuelle Daten der Bundesagentur für Arbeit sprechen sogar für eine deutliche Zunahme der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in diesem Bereich, allerdings entspricht nach Insiderinformationen die fachliche Qualifikation nicht in jedem Fall den Anforderungen. Öffentlichkeitswirksame und nachhaltig verfolgte Appelle der politisch Verantwortlichen zur Rückgewinnung von Pflegekräften aus dem Ruhestand, zur Wiederaufnahme der Berufstätigkeit oder zur Qualifikation von Pflegepersonal aus anderen Bereichen haben nicht stattgefunden, obwohl solche Programme eigentlich die naheliegendsten Maßnahmen gewesen wäre. Solche Appelle hätten auch ohne Umstände Anreize finanzieller oder immaterieller Natur beinhalten können. Laut Bundesagentur für Arbeit hat im Jahr 2020 (bis Oktober) die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Alten- und Krankenpflege um 43.000 Kräfte zugenommen. Der Anstieg war zweistellig."

Örtliche Engpässe, nicht ausgezahlte Boni und teilweise fehlendes qualifiziertes Personal


Gut ausgebildetes Personal zu bekommen sei laut den Wissenschaftlern schon lange vor Corona ein Problem gewesen, dass durch die schlechten Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte entstanden ist:


„Die Zahl der beschäftigen Kranken- und Altenpfleger hat um 14% zugelegt (auf 1,11 Mio. bzw. 615.000). Nichtsdestotrotz ist die ausreichende Ausstattung mit qualifiziertem Personal, insbesondere in der (Intensiv- und Alten-)Pflege, seit Jahren Diskussionsthema. Versprochene, reduzierte und am Ende mitunter dann doch nicht ausgezahlte Boni sind da sicher nicht hilfreich.“

In einigen deutschen Kliniken sei es zu Engpässen und Ballungen bekommen, was aber daran gelegen habe, dass die Covid-19 Patienten nicht gleichmäßig, deutschlandweit verteilt wurden, sagte Schrappe der Welt. War also die Drohung der Verantwortlichen an die Bürger begründet, zu Hause zu ersticken und gar keine Möglichkeit auf eine Intensivversorgung zu bekommen, wenn man keine Maßnahmen ergreife? Dazu haben die Forscher eine ganz klare Meinung:


"Wir haben uns die Zahlen angesehen und sind zu dem Schluss gekommen: Es war nicht begründet. Im Gegenteil. Es gab in den Krankenhäusern offensichtlich die Tendenz, Patienten ohne Not auf die Intensivstation zu verlegen – während der Pandemie.“

Nirgendwo in der Welt wurden so viele Covid-19 Patienten auf einer Intensivstation behandelt, wie in Deutschland. Das zeigt die ermittelte Sieben-Tage-Melderate, so Schrappe:


„Ende April 2021 wurden 61 Prozent der Covid-Patienten in Krankenhäusern auf Intensivstationen behandelt. In der Schweiz waren es nur 25 Prozent, in Italien elf Prozent. Auch da sind wir weltweit die Nummer eins.“

Panikmache und Realität sind nicht unter einen Hut zu bringen


Die in dem Papier aufgezeigten Zahlen und Fakten würden automatisch zu einigen Fragen führen, so der Gesundheitsökonom:


„Erkranken Bundesbürger schwerer als die übrigen Menschen in Europa? Oder könnte es sein, dass manche Krankenhäuser sich in Erlösmaximierung versuchen? Oder ist es für manche Krankenhäuser einfacher, Corona-Patienten sofort auf die Intensivstation zu bringen, obwohl sie noch nicht intensivmedizinisch betreut werden müssen? Die Zahlen sind auffällig, und sie werfen Fragen auf.“

Für Intensivbetten erhalten die Krankenhäuser mehr Geld als für Normalbetten:


„Ein Patient auf der Intensivstation muss auch nicht zwingend ans Beatmungsgerät. Klar ist nur: Es gibt Zweifel an einem zielgerichteten, adäquaten Einsatz unserer Ressourcen. Es gibt sogar einzelne Tage, an denen offiziell mehr Patienten auf Intensivstationen lagen, als überhaupt hospitalisiert waren. Mit dem Satz ‘Wir laufen voll‘ lässt sich das nicht in Einklang bringen.“

Die Angst, man würde es nicht schaffen ging tatsächlich um in der Ärzte- und Pflegeschaft, so Schrappe. Diese sei allerdings politisch transportiert worden.


„Nach unseren Auswertungen kam sie in der Befürchtung, kein Intensivbett mehr zu bekommen, besonders drastisch zur Geltung. Die irrationalen und die kostspieligen Konsequenzen spiegeln das DIVI-Intensivregister“

Laut Schrappe stehe nun aber fest, dass die Angst vor Triage und knappen Intensivkapazitäten unbegründet war. Die folgende Passage des Papiers liest sich wie eine Anklageschrift:



„Und es steht weiter fest, dass das vielen Entscheidern während des gesamten Pandemieverlaufs bewusst gewesen sein muss. Die Bundesregierung nahm immerhin eine halbe Milliarde Euro in die Hand, um den Aufbau zusätzlicher Intensivbettenkapazitäten zu finanzieren. Nach unseren Recherchen scheinen diese Betten aber nicht existent zu sein. Sie sind offensichtlich niemals geschaffen worden, oder wurden beantragt, obwohl es keine Pflegekräfte dafür gab.“

Und die vernichtende Analyse geht noch weiter:


„Auch auf den Höhepunkten aller drei Wellen waren nie mehr als 25 Prozent der Intensivbetten mit Covid-Patienten belegt. Deutschland hat weltweit „die längste Liegedauer, die höchste Krankenhausdichte, die höchste Zahl von Intensivbetten pro 100.000 Einwohner, wir haben mehr als dreimal mehr Intensivbetten als Frankreich mit 7000 Betten. Wir haben zusätzlich 11.000 Betten als Notfallreserve, die wir freilich nie aufgebaut und nie in Betrieb genommen haben. Wir ängstigen uns auf hohem Niveau.“

Geld für verpackte Betten?


50 000 Euro wurden laut dem Krankenhausentlastungsgesetz für jedes neu aufgestellte Bett ausbezahlt, so Schrappe im Interview mit der Welt. Aber:


„Auffällig ist, dass diese Betten plötzlich im Oktober von einem Tag auf den anderen vorhanden waren, in den Zahlen gibt es dort eine Stufe. Aber offensichtlich sind es in Cellophan verpackte Betten geblieben, die nicht einsatzfähig und auch später nie eingesetzt worden waren.“

Auch den sich häufenden Berichten, wonach immer mehr jüngere Menschen im Alter von 30 bis 40 Jahren, aufgrund von einer Covid-19 Erkrankung auf die Intensivstation eingeliefert werden müssten, traut Schrappe nicht über den Weg:


„Die Zahlen dazu lieferten die Verantwortlichen von RKI und DIVI erst Anfang Mai. Jetzt steht fest: Diese Altersgruppe macht keine drei Prozent aller Covid-Patienten auf Intensivstation aus."

Aber damit noch nicht genug. Schrappe verurteilt die im Zuge des heimlichen Abbaus von Intensivbetten gefolgten politischen Maßnahmen und nennt die Verfahrensweise anrüchig:


„Aber nicht nur die Datenlücken sind problematisch. Es wird auch nicht sorgfältig mit den Zahlen umgegangen. Es sind nicht nur 10.000 Intensivbetten seit Sommer verschwunden, sondern man hat offensichtlich retrospektiv die Zahlen vom letzten Sommer korrigiert. Wenn wir diese Daten mit den heutigen Zahlen im DIVI-Archiv vergleichen, sind da plötzlich nicht mehr in der Spitze knapp 34.000 Betten gemeldet, sondern nur noch rund 30.000. Man hat rückwirkend systematisch eingegriffen, sodass überall 3000 Betten weniger verzeichnet sind. Das ist anrüchig, weil diese Zahlen politische Konsequenzen hatten. Die Betten stehen in Krankenhausbedarfsplänen, und diese Betten werden finanziert.“

Der ehemalige Vize-Chef des Sachverständigenrates Gesundheit zieht aus all diesen Fakten eine ernüchternde Bilanz:


„Im Rückblick tun sich Fragezeichen auf, ob da redlich gespielt wurde.“

Wurde es?





Quelle:


(1) Intensivstationen: „Es geschehen seltsame, unverständliche Dinge“ - WELT



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