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Kampf um das Gehirn - "kognitive Kriegsführung" der NATO und westlicher Militärs

Aktualisiert: 24. Dez. 2021

Um jeden Menschen zu einer Waffe zu machen und so auf die vorgeschobenen Bedrohungen durch Russland und China reagieren zu können entwickelt die NATO im Verbund mit ihren Alliierten verschiedene Taktiken der kognitiven Kriegsführung. Der Kampf um die Gehirne der Spezies Mensch ist entbrannt und in vollem Gange.



Das Militärbündnis sieht in der neuen Methode der Kriegsführung eine Art Kampf um die Gehirne. Wirtschafts-, Cyber-, Informations- und psychologische Kriegsführung sind die neuen Dimensionen der hybriden Kriegsführung der NATO. Angeführt wird dieses Militärkonglomerat natürlich weiterhin von den USA, die ihr Bestreben zur Erforschung dieser neuen Techniken betonen. Es findet eine komplett neue Art des Kampfes statt, die von den Beteiligten in etwa als "Bewaffnung der Gehirne" bezeichnet wird. Die Schwachstellen des menschlichen Denkapparats sollen dabei ausgenutzt werden um jedes Individuum beliebig "hacken" zu können. Man nennt dieses Vorgehen auch "Social Engineering".


Kriege und Militäroperationen wurden von den NATO-Staaten bislang in fünf verschiedene Kategorien eingeteilt. Diese waren Operationen in der Luft, an Land, zur See, im Weltraum und im Cyberspace. Die sechste neugeschaffene Ebene wird als die "menschliche Domäne" bezeichnet. 2020 wurden diese Planungen in einer von der NATO gesponserten Studie bekannt gegeben:


"Während Aktionen in den fünf Bereichen ausgeführt werden, um eine Wirkung auf den menschlichen Bereich zu haben, ist es das Ziel der kognitiven Kriegsführung, jeden zu einer Waffe zu machen."

Der Bericht betont, das menschliche Gehirn werde "das Schlachtfeld des 21. Jahrhunderts" sein. Die umkämpfte Domäne seien die Menschen, Kriege werden vor allem digital, physisch aber auch politisch und wirtschaftlich ausgetragen werden.



Die Studie zur kognitiven Kriegsführung der NATO


Vorwiegend werden in der Studie natürlich rein defensive Zwecke der kognitiven Kriegsführung erwähnt. Wenn man genauer hinsieht, erkennt man aber auch die Pläne aggressiver, offensiver Planspiele. Demnach müssen die Verantwortlichen einräumen:


"Der Mensch ist sehr oft die Hauptschwachstelle und es sollte anerkannt werden, um das Humankapital der NATO zu schützen, aber auch um von den Schwachstellen unserer Gegner profitieren zu können."

Das Ziel dieser Strategie ist also nicht nur die Bekämpfung von Militärs, sondern auch von ganzen Zivilgesellschaften. Nahezu alle Zivilgesellschaften der Welt befinden sich gewissermaßen im Einflussbereich der NATO. Daher sollen die westlichen Militärs enger mit Wissenschaft und Forschung zusammenarbeiten. Sozial- und Humanwissenschaften sind dabei höchst gefragte Institutionen, da sie in der Lage sind dem Militär wichtige Aspekte der kognitiven Kriegsführung näherzubringen.


Von einer "Militarisierung der Hirnforschung" sprechen die Autoren der Studie, doch werden durch diese "Wissenschaften" sicherlich auch alle anderen sozialen und gesellschaftlichen Bereiche beeinflusst. Das Militär möchte in die intimsten Bereiche der Privatsphäre eindringen. Der größte und letzte Schritt wird sein, den Geist der Menschen zu beeinflussen.


China und Russland würden dem Bericht zur Folge das Bewusstsein westlicher Dissidenten ausnutzen um eben diesem zu schaden. Die Studie spricht hier von einer "eingebetteten fünften Kolonne", die sich, ohne es zu wissen den Plänen der feindlichen Mächte unterwirft.


Paranoide Bewertung der Lage


Bei genauerer Betrachtung zeigt das Dokument, die paranoide Geisteshaltung westlicher Militärs. Doch äußert sich diese Paranoia nicht gegen einen äußeren Feind. Vielmehr wird die eigenen Bevölkerung immer mehr zur Gefahr aufgebauscht, vor der man sich in Acht nehmen muss. Jeder Zivilist in den eigenen Ländern könnte ein potenzieller russischer oder chinesischer Schläfer sein, der die Stabilität der westlichen Demokratien in Frage stellt und bedroht. Die Autoren der Studie nennen diese Schläferzellen "fünfte Kolonnen".


Die Entwicklung hybrider Kriegsführung läuft parallel zur zunehmenden Militarisierung der NATO-Staaten, nicht etwa gegen äußere Feinde, sondern gegen die eigenen Bürger.


Informationskrieg gegen die eigene Bevölkerung


In Kanada nutzte im September 2021 das Joint Operations Command im Rahmen der Covid-19-Pandemie einen sogenannten "Information Warfare", um Propagandatechniken an der eigenen Bevölkerung zu testen. Dieser Angriff auf kanadische Zivilisten dürfte nur die Spitze eines Eisbergs sein, wenn es um den Einsatz unkonventioneller Kriegsführungstechniken geht, die von Militärs weltweit eingesetzt werden.


Zweimal jährlich veranstaltet das Militärbündnis eine Veranstaltung, die in einem innovativen Rahmen private Unternehmen, Forscher und Organisationen dazu einlädt, neue Technologien und Taktiken für die NATO zu entwickeln. Dabei werden bei wechselnden Veranstalterstaaten vor allem Unternehmen geladen, die ganz im Sinn der neoliberalen Ideologie den größtmöglichen Profit einstreichen möchten. Da ethische Fragen bei diesen Treffen so gut wie keine Rolle spielen, kommt der militärisch-industrielle Komplex voll auf seine Kosten.


2021 wurde diese sogenannte "Innovation Challenge" in Kanada veranstaltet. Sie trug den vielsagenden Titel "Die unsichtbare Bedrohung: Werkzeuge zur Bekämpfung kognitiver Kriegsführung".




In ihrem offiziellen Statement zu der Veranstaltung und der damit verbundenen Herausforderung schrieb die Regierung Kanadas:


"Kognitive Kriegsführung versucht, nicht nur zu verändern, was die Menschen denken, sondern auch, wie sie handeln. Angriffe auf den kognitiven Bereich beinhalten die Integration von Cyber-, Desinformations- , Fehlinformations-, psychologischen und Social-Engineering-Fähigkeiten."

Weiter können wir im Pressestatement aus Ottawa lesen:


"Kognitive Kriegsführung positioniert den Geist als Kampfraum und umkämpfte Domäne. Ihr Ziel ist es, Dissonanzen zu säen, widersprüchliche Narrative anzuzetteln, Meinungen zu polarisieren und Gruppen zu radikalisieren. Kognitive Kriegsführung kann Menschen motivieren, auf eine Weise zu handeln, die eine ansonsten zusammenhängende Gesellschaft stören oder fragmentieren kann."

In einer Podiumsdiskussion diskutierte eine Interessenvertretung mit Namen NATO Association of Canada wie man im engen Austausch mit militärischen Auftragnehmern den Privatsektor für dieses Projekt dazugewinnen kann. Es geht darum , im Auftrag der NATO weiter zu forschen und die Methoden zur kognitiven Kriegsführung weiterzuentwickeln.


Eigentlich ist die NAOC eine unabhängige NGO. Doch rühmt dich die Organisation auf ihrer Webseite selbst für ihre engen Beziehungen zur kanadischen Regierung, Global Affairs Canada und zum Department of National Defence. Am 5. Oktober diesen Jahres veranstaltete die NGO eine Podiumsdiskussion über kognitive Kriegsführung. Dabei nahmen verschiedene kanadische Militärs und der Autor der NATO-Studie François du Cluzel teil.


Eröffnet wurde die Veranstaltung mit der Annahme, dass die Teilnehmer "kognitive Kriegsführung und einen neuen Bereich des Wettbewerbs diskutieren würden, in dem staatliche und nichtstaatliche Akteure darauf abzielen, zu beeinflussen, was Menschen denken und wie sie handeln". Natürlich wurden auch die lukrativen Aussichten dieser Unternehmungen von den Teilnehmenden zur Kenntnis genommen.


Kognitive Kriegsführung kann das Gehirn schädigen


Das NATO-Innovationszentrum (iHub) wurde 2013 gegründet und macht auf seiner Webseite aus rechtliche Gründen darauf aufmerksam, dass die "auf dieser Plattform geäußerten Meinungen keine Standpunkte der NATO oder einer anderen Organisation darstellen". Dennoch wird das iHub als eine von zwei strategischen Kommandos an der Spitze der militärischen Kommandostruktur der NATO beschrieben und fungiert als eine Art Forschungszentrum oder Think Tank in den eigenen vier Wänden der Organisation. Die Forschungspolitik wird zumindest indirekt vom Militärbündnis überwacht.


2020 beauftragte der Supreme Allied Commander Transformation (SACT) das iHub zur Durchführung einer sechs Monate andauernden Studie im Bereich der kognitiven Kriegsführung. In seiner Präsentation erläuterte François du Cluzel die neue Kriegsführungsstrategie der NATO als kognitiv und als "Schlacht um das Gehirn".


Dieses neue Konzept beginnt in der Informationssphäre, es nennt sich auch Hyperkonnektivität. Du Cluzel betonte, dass heutzutage nahezu jeder ein Handy besitze, dass das System dieser hybriden Art von Kriegsführung unterstützen könne:


"Es beginnt mit Informationen, denn Informationen sind, wenn ich sagen darf, der Treibstoff der kognitiven Kriegsführung. Aber es geht weit über die reine Information hinaus, die eine eigenständige Operation ist - Informationskrieg ist eine eigenständige Operation."

Dem Beispiel mit dem Handy zufolge, überschneidet sich kognitive Kriegsführung mit dem Bereich der Big-Tech-Industrie und der Massenüberwachung. Big Data müsse genutzt werden denn, so Cluzel:


"Wir produzieren Daten überall, wo wir hingehen. Jede Minute, jede Sekunde, die wir gehen, gehen wir online. Und es ist extrem einfach, diese Daten zu nutzen, um Sie besser kennenzulernen und dieses Wissen zu nutzen, um Ihre Denkweise zu ändern."

Natürlich seien laut dem Wissenschaftler hauptsächlich ausländische Gegner, also vor allem Russland und China die Gefahren mit denen man sich beschäftigen müsse, weil diese auf diese neue Art der Kriegsführung setzen würden. Der Westen würde lediglich seine "eigene Taktik" in dieser Hinsicht entwickeln. Die "Aggressoren" sitzen also immer woanders, klar.


Die verschiedenen Anwendungsbereiche der Methode seien vor allem Nanotechnologie, Biotechnologie, Informationstechnologie und Kognitionswissenschaft so Cluzel. Das alles zusammen stelle einen "sehr gefährlichen Cocktail" her, der das menschliche Gehirn umfassend manipulieren könne. Außerdem erläuterte er, dass diese neue Methode der Militärstrategie weit über sogenannte psychologische Operationen (PSYOPS) hinausgehen werde. Es gehe nicht nur um Informationen, sondern vor allem um die Art und Weise, wie unser Gehirn diese verarbeitet. Kognitive Kriegsführung tastet sich zu den am weitesten verzweigten neuronalen Netzen des menschlichen Denkapparats vor, um diesen zu beeinflussen. Sie ist nicht nur ein anderes Wort für Informationskrieg, sondern sie ist ein "Krieg gegen unseren individuellen Prozessor im Gehirn", so der Forscher.


Für das Militär sei dieser Forschungsbereich sehr wichtig, da "er das Potenzial hat durch neue Wege und Waffen das Gehirn zu schädigen". Ziel sei die Beeinflussung der Humanökologie durch Neurowissenschaften und neue Technologien, sprich der direkte Transfer von ziviler in militärische Forschung.



Ziele der kognitiven Kriegsführung


Es gehe um "universelle Reichweite, angefangen beim Individuum bis hin zu Staaten und multinationalen Organisationen". Es geht also um die Kontrolle aller Menschen, zivil und militärisch. Den privaten Unternehmen geht es natürlich zusätzlich noch um den eigenen Profit. Die Gewinnmarge ist immens. Die massiven, weltweiten Investitionen in die Neurowissenschaften würden darauf hindeuten, dass dieser Bereich aller Wahrscheinlichkeit nach das wichtigste Schlachtfeld der Zukunft sein wird. Militärische Konflikte, wie wir sie kennen werden sich in der Zukunft drastisch verändern. Cluzel sieht eine Erweiterung der Militäroperationen am Horizont auftauchen:


"Dem modernen Schlachtfeld wird jetzt eine dritte große Kampfdimension hinzugefügt: Zur physischen und informationellen Dimension wird jetzt eine kognitive Dimension hinzugefügt."

Dies schafft neuen Wettbewerb im Privatsektor und ein erweitertes Spektrum an Schlachtfeldern, jenseits von Luft, Land, Wasser, Weltraum und Cyberspace. Dieses erweiterte Spektrum wird auf den Menschen selbst und sein neuronales System ausgeweitet.




Die Studie zeigt schon jetzt ein dystopisches Bild der aktuellen Kriegsführung auf. Dinge, die man nur aus der Science-Fiction zu kennen glaubte, werden immer realer. Der Bericht beschreibt, dass sich die Art der Kriegsführung schon jetzt verändert hat, sagt aber auch, dass total neuartige Methoden entstanden sind. Der menschliche Geist wird als "eine neue Domäne des Krieges" betrachtet. Es werde in Zukunft nötig sein, die kognitiven Fähigkeiten des Gegners zu schädigen und dessen Entscheidungsprozesse erheblich zu stören.


Dabei konzentriert sich diese neuartige Technologie aber nicht nur auf feindliche Staaten und Militärs, sondern auf das komplette "Humankapital"" der eigenen Hemisphäre. Denn jeder Nutzer moderner Informationstechnologien könne ein potenzielles Ziel des kognitiven Angriffs sein. Die Studie betont in einem weiteren Satz das ganze Ausmaß mit unheilvollem Unterton:</